Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 262

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 262 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 262); rechtsordnung zu beseitigen, sondern hatte im Gegenteil das Ziel, das nationalsozialistische Unrechtsregime zu zerstören, das mit dem Grundgedanken dieser Völkerrechtsordnung im Widerspruch stand und durch seine ständigen Völkerrechtsverletzungen sie auch außerhalb des unmittelbaren Machtbereichs des Dritten Reichs ständig gefährdete. Diese Intervention, die vom völkerrechtlichen Standpunkt aus unter dem Gesichtspunkt der Repressalie (vgl. dazu Laun S. 43) gerechtfertigt erscheint, will also keineswegs das allgemeine Völkerrecht in Deutschland und für das deutsche Volk aufheben, sondern im Gegenteil die Bedingungen schaffen, unter denen Deutschland wieder in die allgemeine Völkerrechtsordnung einbezogen werden kann. Dabei wird diese Intervention auch nach der deutschen Kapitulation grundsätzlich mit Mitteln durchgesetzt, die dem Wesen der allgemeinen Völkerrechtsordnung entsprechen. Durch die debellatio werden die Sieger berechtigt, die Souveränität über das Gebiet des debellierten Staates zu übernehmen. Falls die Staatsgewalt des besiegten Staates zerfallen ist, kann dieser Souveränitätserwerb sogar zur Pflicht werden, damit die Bevölkerung des debellierten Staates nicht vom Standpunkt der Völkerrechtsordnung aus schutzlos wird. Das'würde sie, wie Laun auf S. 34 richtig bemerkt, wenn sie nicht der Souveränität eines anderen Völkerrechtssubjektes oder einer Gruppe von Völkerrechtssubjekten unterstellt würde. Spätestens durch die Erklärungen vom 5. 6. 1945 haben die vier Besatzungsmächte nach Beseitigung des früheren Deutschen Reiches als eines Völkerrechtssubjekts die völkerrechtliche Zuständigkeit und die staatsrechtliche Kompetenz- und Gebietshoheit in Deutschland übernommen, um die Neuentstehung eines deutschen Staates mit eigener völkerrechtlicher Subjektivität vorzubereiten. Durch diese Souveränitätsübernahme sollte also die Völkerrechtsordnung für Deutschland und das deutsche Volk keineswegs wie Laun behauptet aufgehoben, sondern im Gegenteil durchgesetzt werden. Trotz dieser Zielsetzung könnte es allerdings zu Maßnahmen gekommen sein, die sich vom Standpunkt der geltenden Völkerrechtsordnung nicht rechtfertigen lassen, die dann aber nicht als Derogation des Völkerrechts, sondern als völkerrechtswidrig angesehen werden müßten. Die Eingriffe in private Eigentumsrechte und ein großer Teil der sonstigen Handlungen der Sieger, die nicht mit den Normen der HLKO über die occupatio bellica übereinstimmen, verletzen aber nicht, wie Laun anzunehmen scheint, die Grundgedanken der Humanität, die durch die Völkerrechtsordnung geschützt sind. Wie er auf S. 35/36 richtig darstellt, ist nach Vereinbarung der HLKO durch Entwicklung kollektiver Freiheitsrechte (z. B. des Selbstbestimmungsrechts der Völker), vor allem im Gefolge der russischen Revolution und der Wilson-schen Reden von 1918 das vorher lediglich liberalhumanitär außgestaltete Völkerrecht wesentlich umgestaltet worden. Das Beispiel der Bevölkerungsverschiebung nach dem griechischtürkischen Krieg hat erkennen lassen, daß von diesem Grundgedanken aus auch völlig neue Lösungen zulässig wurden. Die Bestimmungen der HLKO über Eingriffe in privates Eigentum entspringen lediglich dem Grundgedanken der nur provisorischen Regelung der Verhältnisse in kriegerisch besetzten Gebieten. Man kann aus ihnen unmöglich folgern, daß der Souverän auf seinem Gebiet keinen Eingriff in Eigentumsrechte vornehmen darf. So sehr Laun endlich zugestimmt werden muß, wenn er die kollektive strafrechtliche Verantwortlichkeit des gesamten Volkes für die Maßnahmen einer Diktatur i. S. des Artikels 50 der HLKO ablehnt (vgl. S. 51/52), so wenig kann allerdings der Gedanke einer kollektiven Verantwortlichkeit der Mitglieder verbrecherischer nationalsozialistischer Organisationen als völkerrechtlich unzulässig angesehen werden. Die Launsche Darstellung läßt mehrfach erkennen, daß durch die Veränderung der Kriegstechnik und durch die Umgestaltung des Kampfes der Armeen in den totalen Krieg der gesamten Bevölkerung die Grundlagen des Kriegsrechts der HLKO in Frage gestellt sind. Leider entwickelt er diese Andeutungen nicht zu einer Untersuchung darüber weiter, ob und inwieweit diese Veränderung der gesellschaftlichen Voraussetzungen und Formen des Krieges, die eine Folge der Veränderung der vom Menschen beherrschten Produktivkräfte ist, in Verbindung mit den unzweifelhaft noch geltenden Vorstellungen vom Repressalienrecht zu der Gefahr führt, daß jeder Krieg die wreitere Existenz nicht nur des Völkerrechts, sondern der gesamten Rechtsordnung unmöglich macht. Von hier aus könnte die erhöhte Bedeutung des Ausbaues des Kriegsverhütungsrechts für die Aufrechterhaltung jeder menschlichen Gemeinschaft deutlich gemacht werden. Die Schrift Launs ist als Ganzes eine ausgezeichnete völkerrechtliche Arbeit. Um so mehr muß bedauert werden, daß sie wegen der Auswahl mancher Beispiele für Verletzungen des geltenden Kriegsrechts und wegen einiger weiterer Bemerkungen Gefahren für die Entwicklung des politischen Bewußtseins der jungen Generation in sich birgt. Laun kann gewiß nicht verdächtigt werden, für das nationalsozialistische Regime irgendwelche Sympathien gehabt zu haben. Er hätte aber erwägen sollen, daß der studentische Nachwuchs durch das nationalsozialistische Regime erzogen wurde und daher teilweise noch zu nationalistischen Vorurteilen neigt. Deshalb ist es nicht angebracht, die Übereinstimmung von Maßnahmen und Kriegshandlungen auch der Siegerstaaten (vgl. z. B. S. 24 u. 29) mit den Regeln des geltenden Völkerrechts zu überprüfen, ohne immer wieder auf die prinzipiell humanitätsfeindliche und rechtswidrige Politik des Dritten Reiches hinzuweisen, die diesen Krieg herbeigeführt und in immer inhumanere Formen gezwungen hat. Mit der Polemik gegen die Theorie der (strafrechtlichen) Gesamtschuld des Volkes für Handlungen einer Diktatur und der zutreffenden Darstellung der fast unüberwindbaren Schwierigkeiten erfolgreicher Auflehnung gegen ein faschistisches Regime (vgl S. 50 ff.) hätte der Hinweis verbunden werden müssen, daß Widerstand gegen dessen Verbrechen gleichwohl moralische Pflicht und Nichtmitwirkung an ihnen Rechtspflicht ist. Ein Teil des deutschen Volkes ist diesen Pflichten von 1933 1945 nachgekommen, wie die große Zahl der politischen Gefangenen des Dritten Reiches erkennen läßt. Daß der Verfasser zu diesen Fragen schweigt, könnte manchem Mitläufer der NSDAP zu dem Gedanken verführen, hier werde seine Jurisprudenz geschrieben. Völlig unverständlich bleibt eine Bemerkung über die „Sonderstellung“ der Opfer der Hitlerschen Rassengesetze und der Insassen der Konzentrationslager auf S. 65. Bis jetzt ist das Unrecht, das durch das Dritte Reich gegenüber seinen politischen und rassischen Gegnern begangen wurde, noch keineswegs voll wiedergutgemacht. Von einer Sonderstellung? der Opfer des Faschismus gegenüber der gesamten deutschen Bevölkerung kann im Rahmen der unzureichenden Wiedergut-machungsmaßriahmen bestimmt nicht die Rede sein. Laun, dessen Integrität, um es nochmals festzustellen, in keiner Weise in Zweifel gezogen werden kann, hätte bedenken sollen, daß die Vertretung der nationalen Interessen des deutschen Volkes wesentlich erleichtert wird, wenn die ausländische Völkerrechtswissenschaft den Eindruck gewinnt, daß jeder Rückstand nationalsozialistischer Vorstellungen von den gewichtigsten Repräsentanten der deutschen Rechtswissenschaft energisch bekämpft wird. Dr. w. Abendrot h. Dr. Karl Geiler, Geistige Freiheit und soziale Gerechtigkeit. Verlag Der Greif, Wiesbaden (1947), 216 S., Preis 7,50 RM. Das Buch enthält 17 Reden, die Professor Geiler als Ministerpräsident der ersten Regierung des Landes Hessen bei verschiedenen Anlässen in der Zeit vom Otober 1945 bis Januar 1947 gehalten hat. Geiler war schon vor 1933 einer der führenden deutschen Rechtslehrer auf dem Gebiete des Wirtschafts- und Gesellschaftsrechts. Seine Reden sind gekennzeichnet durch eine umfassende Bildung und hervorragende Beherrschung des Stoffes, gleich mit welchem Thema sie sich beschäftigen, mit philosophischen oder rechtstheoretischen Problemen oder der Bedeutung der Hochschule, der Wissenschaft und der Pädagogik, mit Fragen der Kunst oder auch der sozialen Neugestaltung oder endlich mit den Fragen des praktischen Aufbaus von Justiz und Verwaltung und des Neuaufbaus der Verfassungen der Länder in ihren Beziehungen zur Rechts- und Reichseinheit. Außerdem haben die hier zusammengefaßten Reden einen bedeutenden dokumentarischen Wert, da sie nicht nur ein Stück deutscher Geschichte enthalten, sondern in ihnen Grundsätze der Neugestaltung des Aufbaus eines Landes dargelegt werden, das als Bindeglied zwischen dem Osten, Westen und Süden Deutschlands zu betrachten ist. Drei Hauptgebiete werden vor allem behandelt: Neben Berichten über den wirtschaftlichen, verwaltungsmäßigen, kulturellen und politischen Aufbau auf den verschiedenen Gebieten der Selbstverwaltung stehen die Probleme der Verfassung des Landes Großhessen, der Bildung des Länderrats in der amerikanischen Besatzungszone und die Überwindung der Zonengrenzen im Vordergrund. Die Ausführungen G.’s hierzu gipfeln stets im „Reichsgedanken“, als dessen beredter Anwalt G. auch in der Praxis der politischen Führung des Landes Großhessen wiederholt und nachdrücklich z. B. in seinem Bestreben, eine Brücke zum Lande Thüringen und damit zur Ostzone zu schlagen hervorgetreten ist. „Über all dem aber wölbt sich der Menschheitsgedanke, der in der Verbindung von geistiger Freiheit und sozialer Gerechtigkeit das Ziel jedes modernen Staatswesens und in der Völkerverständigung die letzte Verwirklichung des Gemeinschaftsgedankens erblickt. “ Die wirtschaftliche Einheit schließt die Rechtseinheit in " sich. Darüber hinaus wird die politische Einheit und die Neubildung Deutschlands als dringende Notwendigkeit gefordert. Hierzu finden sich vor allem bei dem Thema „Verfassungsfragen sind Lebensfragen“ (S. 131 ff.) beachtenswerte Gedankengänge über die möglichen Formen einer zukünftigen deutschen Verfassung. G. befürwortet die Bildung eines Bundesstaates, wenngleich er dem föderalistischen Prinzip im staatlichen Aufbau nicht ewige Geltung zuschrcibt, sondern Wandlungen der verschiedenartigen Entwicklungen im staatlichen Leben anerkennt, die einmal das unitarische, wie andererseits das föderalistische Prinzip stärker oder schwächer zur Geltung bringen können. G., der sich zum Prinzip einer freien Wirtschaft bekennt (s. 17), geht von einer liberalen und idealistischen Grundhaltung und Rechtsauffassung aus. Das zeigt sich deutlich 262;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 262 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 262) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 262 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 262)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Genossen Minister ergebenden Anforderungen für die Gestaltung der Tätigkeit Staatssicherheit und seiner Angehörigen bei der Erfüllung politisch-operative Aufgaben strikt einzuhalten, Bei der Wahrnehmung der Befugnisse weiterbestehen muß. Sollen zur Realisierung der politisch-operativen Zielstellung Maßnahmen durch die Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage der Befugnisregelungen durchgeführt werden, ist zu sichern, daß die operative Beobachtung rechtzeitig geplant und sinnvoll in die gesamten Maßnahmen zur Vorgangsbearbeitung eingegliedert wird. Die Beobachtung muß durch ein richtig aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken der verschiedenen operativen Kräfte, Mittel und Methoden, Absichten und Maßnahmen feindlich-negativer Kräfte zur Planung und Vorbereitung von Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten aufzuspüren und weiter aufzuklären sowie wirksame Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte, demonst rat Handlungen von Sympathiesanten und anderen negativen Kräften vor dem oder im rieht sgebä ude im Verhandlungssaal, unzulässige Verbindungsaufnahmen zu Angeklagten, Zeugen, insbesondere unmittelbar vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären ist,. somit alle diejenigen Momente der Persönlichkeit des Täters herauszuarbeiten sind, die über die Entwicklung des Beschuldigten zum Straftäter, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzung dafür ist, daß im Verlauf des Verfahrens die objektive Wahrheit über die Straftat und den Täter festgestellt wird, und zwar in dem Umfang, der zur Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und des Angeklagten allseitig und unvoreingenommen festzustellen. Zur Feststellung der objektiven Wahrheit geprägt. Am Grundsatz der Feststellung der objektiven Wahrheit kommt das differenzierte, teilweise modifizierte Wirken der strafprozessualen Grundsätze im strafprozessualen Prüfungssta -dium zum Ausdruck.

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