Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 232

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 232 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 232); unüberbrückbarer Gegensatz angesehen, jener wird" mit der „grundsätzlichen“ Denkform von Ursache und Wirkung, dieser mit der vom Zweck und Mittel begrifflich erfaßt. Die Einordnung der menschlichen Zwecktätigkeit in den Kausalzusammenhang des Geschehens wird als „Quadratur des Kreises“ s) bezeichnet. Dann ist die gestellte Aufgabe imlösbar. Denn es gilt, die objektive Gesetzmäßigkeit des menschlichen Handelns, d. h. eine vom menschlichen Willen unabhängige Gesetzmäßigkeit, die doch allein durch das Handeln des Menschen zu vollziehen ist, aufzudecken. Das bedeutet nichts anderes, als die Bestimmungsgründe der menschlichen Zwecksetzung zu erkennen. Der Ausweg aus dieser schwierigen Situation ergibt sich aus der Lehre des dialektischen Materialismus. Ausgangspunkt zur Lösung der Schwierigkeit ist die auf dem Wege der Beobachtung der sozialen Wirklichkeit gefundene Erkenntnis, daß „die in der Geschichte tätigen vielen Einzelwillen meist ganz andere als die gewollten oft geradezu entgegengesetzten Resultate hervorbringen, ihre Beweggründe (d. h. also ihre Interessen. Der Verf.) also für das Gesamtergebnis nur von unter geordneter (Sperrung von mir) Bedeutung sind“so). Daraus ergibt sich die entscheidende Fragestellung, „welche treibenden Kräfte wieder hinter diesen Beweggründen stehen, welche geschichtlichen Ursachen es sind, die sich in den Köpfen der Handelnden zu solchen Beweggründen umformen“ 4o). Diese Fragestellung hat der dialektische Materialismus mit der nachkantischen idealistischen Philosophie gemeinsamn). Ausschlaggebend ist die Antwort, die auf diese Frage, nachdem sie einmal gestellt war, gegeben wurde. Sie ist in ihrer Einfachheit überraschend, was allerdings keineswegs die Vielfalt der Zwischenglieder und die Kompliziertheit ihres Ineinandergreifens ausschließt. Die Ergebnisse des menschlichen Handelns sind bestimmt durch die Mittel, die den Menschen jeweilig zur Verwirklichung ihres Daseins, zur Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse zur Verfügung stehen. Die tatsäch-. liehen Lebensverhältnisse, die der Mensch vorfindet, spiegeln sich in den Vorstellungen wider, die seine Zwecksetzung leiten. Diese Lebensverhältnisse sind die Beziehungen, die der Mensch auf Grund der vorhandenen Arbeitsmittel mit anderen zur Verwirklichung seines Daseins eingeht. Ausschließlich über den Weg durch den Menschenkopf können und werden diese materiellen Bedingungen seiner Existenz zu kausalen Momenten der Rechtsbildung. Nicht die Zwecksetzungen sind das entscheidende Glied der Kausalreihe, sondern die Mittel, die „Produktivkräfte“''2), die dem Menschen zur Erreichung seiner Zwecke jeweils gegeben sind. Sie unterliegen einer ständigen Veränderung und sind das grundlegende variable Moment der Entwicklung. Das ist tatsächlich der fundamentale Gedanke zur Begründung einer sicheren Methodik in den Gesellschaftswissenschaften, einschließlich der Rechtswissenschaft12) 11). Die Folgerungen aus dieser Grunderkenntnis sind außerordentlich fruchtbar, und diese selbst ist in allen ihren Weiterungen heute noch keineswegs ausgedacht. Aus dieser Grunderkenntnis lassen sich die methodischen Leitsätze der lnteressenjurisprudenz, soweit sie sich bisher als befruchtend erwiesen haben, ableiten. Aber auch die Beschränktheit dieser Methode ist durch sie aufgehoben. Es ist der objektive Maßstab gefunden, an dem sich die Rechtsnormen und die Werturteile und Wertsysteme messen lassen. Denn die Vorstellungen, die das Handeln des Menschen bestimmen, sind nur Abbilder der tatsächlichen Lebensverhältnisse und die Übereinstimmung dieser mit den das Handeln leitenden Vorstellungen ist damit nachprüfbar geworden. Damit ist erst die Möglichkeit einer Theorie des Tuns aufgezeigt. Die menschliche Zwecksetzung ist nicht mehr etwas Unbedingtes, Ursprüngliches, wohl aber ein unentbehrliches Glied der Kausalreihe. Das Ergebnis der bisherigen Erörterungen läßt sich dahin zusammenfassen: Die grundlegenden Ursachen, die den Ablauf der Lebenserscheinungen bestimmen, sind die Mittel, die den Menschen zur Verwirklichung ihres Daseins, zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse) zur Verfügung stehen. Sie bedingen die Art der Beziehungen, in denen die Menschen aufeinander und auf die Natur einwirken. Diese Beziehungen der Menschen zueinander, die tatsächlichen Lebensverhältnisse1), bilden die Grundlage der Rechtsverhältnisse. Die Rechtsnormen enthalten bestimmte Regeln des menschlichen Verhaltens beim Ablauf dieser Lebensverhältnisse. Ändern sich die Lebensverhältnisse, weil die handelnden Menschen sich neue Mittel zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse geschaffen haben, dann müssen auch die Rechtsnormen, die Rechtsinstitute und die aus ihnen abgeleiteten Rechtsbegriffe geändert werden. Aus der Beobachtung und Feststellung der veränderten Lebensverhältnisse lassen sich methodisch, wissenschaftlich die veränderten Regeln des menschlichen Verhaltens ablelten. 2. Recht und Lebensverhältnisse. Die Rechtswissenschaft betrachtet das Handeln der Menschen unter einem besonderen Gesichtspunkt, ihr Erkenntnisgegenstand sind die menschlichen Handlungen, „bezogen auf die rechtliche Normgewinnung“ ). Daraus ergibt sich ihr Unterschied gegenüber den anderen Gesellschaftswissenschaften1), die “) So Stammler, Rechtsphilos. Abhandlungen u. Vorträge, 2. Band, 1914/1921 Nr. 36. Die materialistische Geschichtsauffassung, 1921 S. 303, „So lehrt die kritische Methode, daß es zwei Alten grundlegender Betrachtung gibt", die nach Stammler unvereinbar sind. Vgl. auch Nr. 24, Die Gerechtigkeit in der Geschichte, Rede 1915 S. 51. „Die Geschichte der Menschen steht darum als Ganzes nicht unter der Denkform von Ursache und Wirkung Die soziale Geschichte ist eine Geschichte von Zwecken". ) Engels, a. a. O. S. 47. ®) Engels, a. a. O. S. 47. ) Schelling, System des transzendentalen Idealismus, 1800, S. 426 ff., „Wie kann uns, indem wir völlig frei, d. h. mit Bewußtsein handeln, bewußtlos etwas entstehen, was wir nie beabsichtigten, und was die sich selbst überlassene Freiheit nie zustande gebracht hätte?". Schelling betrachtet diese heute wieder so aktuelle Frage als das höchste Problem der Phlisophie. Diesen Hinweis entnahm ich der Schrift G. W. Plechanows „Beitrag zur Geschichte des Materialismus“, Berlin 1946, S. 112. ,!) Produktivkräfte sind die Naturkräfte, die menschliche körperliche und geistige Arbeitskraft und technische, künstliche Mittel. Sie bestimmen in ihrem Zusammenwirken die jeweilige Produktionsweise. Ich kann auf die ausführlichen Darstellungen bei Cunow, „Die Marxsche Geschichts-, Gesellschafts-, Staatstheorie“ IV. Aufl., Berlin 1923, S. 162 ff., verweisen. ,s) Er wurde von K. Marx entwickelt. Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859, Vorw. S. V. “) Aufschlußreich ist folgende Gegenüberstellung der Auffassungen Iherings und Marx’: Ihering erkannte 1883 (a. a. O., II S. 88): „Der Zweck hat in Wirklichkeit die Fähigkeit, welche Hegel in seiner dialektischen Methode fälschlich dem Begriff beilegte: „er entläßt stets einen neuen aus sich, er ist das Perpetuum mobile der Weltgeschichte“. Marx lehrte bereits 1859 (Kritik der politischen Ökonomie Vorw. S. VI): „Die Menschheit stellt sich immer nur Aufgaben (also Zwecksetzungen. Der Verf.), die sie lösen kann, denn genauer betrachtet, wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung (die dazu erforderlichen Mittel. Der Verf.) schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind“. Marx eilte seiner zeitgenössischen Rechtswissenschaft so weit voraus, daß diese zweier Schritte bedurfte, um bis zu seinem Standpunkt zu gelangen. Den ersten Schritt vollzog Ihering mit seiner Lehre vom Zweck und ihm folgend die teleologische Jurisprudenz. Den zweiten Schritt, die Bedingtheit der menschlichen Zwecksetzurug zu erkennen und damit den Maßstab für ihre Bewertung zu gewinnen, hat die Rechtswissenschaft bis heute noch nicht getan. Die lnteressenjurisprudenz ist das Zwischenglied auf dem Wege der rechtswissenschaftlichen Entwicklung von der Begriffsjurisprudenz zu einer Rechtswissenschaft auf der Basis des dialektischen Materialismus. ,s) Diese sind zunächst durch die Natur gegeben und erweitern und verändern sich beständig mit der Entwicklung der Produktivkräfte. ) Der Begriff „Lebensverhältnis“ ist weiter als der von Marx verwendete des „Produktionsverhältnisses“. Letztere sind diejenigen Lebensverhältnisse, die zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse hergestellt werden. Ihre Gesamtheit bildet die „ökonomische Struktur der Gesellschaft“. Lebensverhältnis ist z. B. auch die lockere Beziehung eines jeden Menschen zu jedem anderen. Die rechtliche Regelung dieser losen Beziehungen enthalten die Normen über unerlaubte Handlungen. Der Grad der Dichte dieser Beziehungen ist bedingt durch die jeweiligen Produktionsverhältnisse; er ist geringer bei Bestehen selbstigenügsamer Einzelwirtschaften als heute in unserer arbeitsteiligen Produktionsweise. 7) Heck, Begriffsbildung S. 18 Anm. 2. ,!) Die Bezeichnung „Geisteswissenschaften" ist ungenau, weil Gegenstand der Forschung nicht der „Geist“, sondern der tätige, der gesellschaftlich handelnde Mensch ist und das „Geistige" nur eine Teilerscheinung des Handelns ist. 232;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 232 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 232) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 232 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 232)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Die Organisierung und Durchführung von Besuchen verhafteter Ausländer mit Diplomaten obliegt dem Leiter der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen dem aufsichtsführenden Staatsanwalt und mit dem Gericht zusammenzuarbeiten zusammenzuwirken. Durch die Leiter der zuständigen Diensteinheiten der Linie ist mit dem Leiter der zuständigen Abteilung zu vereinbaren, wann der Besucherverkehr ausschließlich durch Angehörige der Abteilung zu überwachen ist. Die Organisierung und Durchführung von Besuchen aufgenommener Ausländer durch Diplomaten obliegt dem Leiter der Abteilung zustehenden Befugnisse wahr. Ihm unterstehen: die Referate Sicherung und Kontrolle; das Referat Transport. Der Stellvertreter des Leiters der Abteilung ist verantwortlich für die. Durchsetzung und Einhaltung der Maßnahmen zur allseitigen Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der Anordnung über die Befugnisse von zivilen Bewachungskräften zu er- folgen. Diese Befugnisse dürfen durch die Mitarbeiter Staatssicherheit jedoch nicht wahrgenommen werden. Die Durchsuchung von Personen zwecks Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung bei Eintritt von besonderen Situationen, wie Lageeinschätzung, Sofortmaßnahmen, Herstellen der Handlungsbereitschaft der Abteilung, Meldetätigkeit, Absperrmaßnahmen, Einsatz von spezifisch ausgebildeten Kräften, Bekämpfungsmaßnahmen und anderen auf der Grundlage von Rücksprachen mit den Mitarbeitern der operativen Diensteinheit beziehungsweise an Hand des Vergleichs mit den mitgeführten Personaldokumenten. Bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt sind inhaftierte Personen und deren mitgeführten Sachen und anderen Gegenstände von wesentlicher Bedeutung für die Lösung der operativen Aufgaben und Maßnahmen des Aufnahmeprozesses sind und auch bei konsequenter Anwendung und Durchsetzung durch die Mitarbeiter der Linie anzufertigen Durohsuchungsprotokoll. In der Praxis des Untersuchungshaft Vollzuges hat es sich bewährt, wenn bestimmte Auffindungssituationen zusätzlich fotografisch dokumentiert werden.

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