Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 164

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 164 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 164); oder Pächter eines Gebäudes „seinen ständigen inländischen Aufenthaltsort unter Umständen verlassen, die auf eine dauernde Entfernung schließen lassen“, so ist ihm vom Gericht ein „besonderer Vertreter“ zu bestellen; dieser ist befugt, eine Kündigung entgegenzunehmen, einen Rechtsstreit über das Mietsverhältnis zu führen und die Ansprüche des Vermieters gerichtlich oder außergerichtlich anzuerkennen, ohne sich Regreßansprüchen des Mieters auszusetzen; er erhält eine angemessene Vergütung, für welche Mieter und Vermieter als Gesamtschuldner haften. Für den Fall, daß vielleicht noch jemandem zweifelhaft war, was für Mieter dieses Gesetz meinte, erklärt Kaisenberg in dem erwähnten Artikel etwas deutlicher, wenn auch noch lange nicht in der robusten Eindeutigkeit der späteren Naziterminologie: „Zahl- reiche Personen verließen in den letzten Monaten ihren ständigen Aufenthaltsort unter Umständen, die auf eine dauernde Aufgabe schließen lassen. Die ins Ausland Abgewanderten kognmen weder ihren Verpflichtungen aus den Mietverträgen nach, noch bringen sie einen Willen nach Lösung der Miete dem Vermieter1 gegenüber zum .Ausdruck. Zur Behebung dieser Schwierigkeiten wird, durch das Gesetz . usw.“ Im Lichte dieser Vorschrift aber wird die Änderung des GKG in Art. 2 und vor allem der Sinn der zeitlichen Begrenzung ohne Schwierigkeiten verständlich. Seit dem verhängnisvollen 31.1. 1933 hatten in noch nicht dagewesener Zahl Menschen, die wegen ihrer politischen Überzeugung oder ihrer Abstammung vom Hitlerterror gefährdet waren, bei Nacht und Nebel ihre Heimstätten verlassen müssen; sie waren entweder ins Ausland oder in Deutschland selbst „Untergrund“ gegangen. Sie hatten vielleicht langjährige Miet- oder Pachtverträge, oder sie hatten den Zins für längere Zeit im voraus gezahlt, oder der Vermieter wollte nicht einmal das Ende des laufenden Quartals, für das bezahlt war, abwarten jedenfalls erschien es den braunen Herren offenbar erforderlich, ein Mittel zu besitzen, mit dem in solchen Fällen die Flüchtigen möglichst sofort ihrer .wohlerworbenen Rechte beraubt werden konnten. Hierfür wurde das Gesetz vom 20.7. 1933 geschaffen, nicht, wie es Kaisenberg mit zeitgemäßer Verlogenheit darstellt, für den Fall, daß der Flüchtling seinen Mietsverpflichtungn nicht nachkam; für diesen Fall nämlich wäre die normale Räumungs- oder Mietaufhebungsklage verbunden mit öffentlicher Zustellung absolut ausreichend gewesen! Darüber hinaus bot das Gesetz auch eine ausgezeichnete Handhabe, die mißliebige Familie solcher Flüchtigen aus der Wohnung zu setzen, selbst wenn sie die Miete oder Pacht weiter zu zahlen bereit war. Wenn in derartigen Fällen nicht gerade die Ehefrau Mitmieterin war, so konnte es leicht Vorkommen und es ist zweifellos oft genug vor gekommen ,'daß die nichtsahnende Familie eines Tages vom Gerichtsvollzieher mit einem rechtskräftigen Räumungsurteit oder -vergleich überrascht wurde, nachdem der hinter ihrem Rücken bestellte „besondere Vertreter“ des Mieters, d. h. des flüchtigen Ehemannes „für“ diesen auf Räumung verklagt worden war und anerkannt hatte. Nicht genug damit, daß auf diese Weise der Vermieter in die Lage versetzt wurde, u. U. eine Wohnung noch einmal zu vermieten, für die der Mietzins bereits gezahlt war man wollte ihm das von Staats wegen begünstigte Vorgehen gegen antifaschistische und. jüdische Mieter noch besonders erleichtern und verbilligen und ihm einen Ausgleich dafür gewähren, daß er ja für die Vergütung des „besonderen Vertreters“ und die Gerichtskosten aufzukommen hatte, falls beim Mieter nichts mehr zu holen war. Dieser Erwägung verdankt die provisorische Neufassung des § 10 Abs. 1 GKG ihre Entstehung! Nun ist es richtig, daß sich nach dem Gesetz die neue Streitwertberechnung nicht auf die Fälle des Art. 1, d. h. auf die Prozesse beschränkt, an denen ein „besonderer Vertreter“ beteiligt war. Das hätte das gesetzgeberische Motiv zu offenkundig gemacht wie sich der nationalsozialistische Gesetzgeber ja auch sonst, besonders im Beginn seiner Tätigkeit, im Hinblick auf die Weltmeinung oft bemüht hat, den Unrechtsgehalt des neuen „Rechts“ möglichst zu ver- schleiern.1) Daß gleichwohl die Anwendung in den Fällen des Art. 1 der eigentliche Sinn der Wertherabsetzung gewesen sein muß, ergibt sich nicht nur aus dem örtlichen Zusammenhang beider Bestimmungen und nicht nur daraus, daß für den normalen Räumungsprozeß die Änderung, wie wir sehen werden, durchaus nicht eindeutig im Interesse der Parteien lag, sondern vor allem aus der oben behandelten anderweit nicht erklärlichen Beschränkung der Geltungsdauer. Wenn man diese als Anpassung an die Zwecke des Art. 1 auf faßt, so erhellt ihr Sinn augenblicklich. Daß die Machthaber im Sommer 1933, im ersten Hochgefühl der Machtübernahme, glaubten, mit den inneren Widersachern des Regimes innerhalb zweier Jahre . fertig werden und für die normalen Fälle von Räumungsklagen außerhalb des MSchG dann wieder zur alten Regelung zurückkehren zu können, ist nicht verwunderlich, besonders wenn man sich die sonstigen zeitlichen Fehlschätzungen des „tausendjährigen“ Reichs vergegenwärtigt. Im April 1935 waren sie zur ersten Verlängerung der Frist genötigt, da sich gezeigt hatte, daß immer noch „Mieter ihren inländischen Aufenthaltsort unter Umständen verließen, aus denen auf eine dauernde Entfernung zu schließen“ war, daß sich insbesondere die „Liquidierung“ der Juden im Hinblick auf das Ausland nicht in dem vorgesehenen Tempo durchführen ließ. Und bis 1937 waren sie zu der Erkenntnis d.urchgedrungen, daß das Ende dieses Prozesses überhaupt nicht datumsmäßig festgelegt werden könne, und so erfolgte die Verlängerung der Geltungsdauer diesmal „bis auf weiteres“; auch diese Formulierung aber läßt noch erkennen, daß ein Ende an sich vom Standpunkt des Nazigesetzgebers aus mit Recht in Betracht gezogen wurde und für diesen Fall die Rückkehr zum alten Rechtszustand erfolgen sollte. Damit entpuppt sich also diese so harmlos anmutende „gesunde Fortentwicklung des Kostenrechts“ dem Motiv und Zweck nach als ein Hilfsmittel des Hitler-Regimes in seinem Ausrottungsfeldzug gegen politische Widersacher und. „Andersrassige“ und gleichzeitig als warnendes Beispiel dafür, mit welcher äußersten Sorgfalt bei der Revision der Nazigesetzgebung, auch in politisch scheinbar indifferenten Fällen, vorgegangen werden muß. Allerdings ist mit dieser Feststellung noch nicht das letzte Wort zur Frage der weiteren Anwendbarkeit der Vorschrift, gesagt. Es kann heute wohl als allgemein akzeptiert gelten, daß die ursprüngliche Motivierung oder Zweckbestimmung eines zwischen 1933 und 19J/5 erlassenen Gesetzes seiner weiteren Anwendung nicht im Wege zu stehen braucht, sofern sein Wortlaut nicht nazistisches Gepräge aufweist und sein Inhalt mit einem unterlegten neuen Motiv auch einer demokratischen Rechtsauffassung entspricht, vielleicht sogar einem auch heute bestehenden Bedürfnis Rechnung trägt. Ist das hier der Fall? Daß Wortlaut und Inhalt der Vorschrift an sich, abstrahiert von Entstehungsgeschichte und ursprünglichem Sinn, ideologisch unbedenklich sind, bedarf keiner Ausführung. Aber ist sie wirklich eine gesunde Fortbildung des Kostenrechts ? Dient sie in ihrer heutigen Anwendung dem Interesse der Parteien ? Warum hat der Nazigesetzgeber sie, abgesehen von seinem besonderen Zweck, nicht zur Dauerregelung gemacht? Wenn man, um diese Fragen beantworten zu können, den möglichen Anwendungsbereich der Bestimmung untersucht, so ergibt sich, daß dieser außerordentlich beschränkt ist. Nachdem die in den dreißiger Jahren durchgeführte Lockerung des Mieterschutzes während des Krieges wieder beseitigt worden ist, unterliegen dem ■) Z. B. gerade in Art. 1 § 1 des fraglichen Gesetzes selbst durch die hypokritischen Bestimmungen, der besondere Vertreter habe die fraglichen Prozesse nur „bis zum Eintritt des Mieters“ zu führen und er habe „nach Möglichkeit mit dem Mieter in Verbindung zu treten“. Daß der im Ausland lebende oder im KZ lebendig begrabene oder in Deutschland sich illegal aufhaltende Mieter in diese Prozesse nicht „eintreten“ konnte, dafür wurde schon anderweit gesorgt, und wäre er mit dem „Vertreter“ in Verbindung getreten, so wäre dessen nächster Gang vermutlich der zur Gestapo zwecks Mitteilung der Adresse gewesen. Immerhin aber wurde durch derartige „humane“ Bestimmungen das Dekorum vor dem Auslande gewahrt, das sich ja auch tatsächlich lange Jahre über den verbrecherischen Charakter des Regimes irreführen ließ.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 164 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 164) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 164 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 164)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der sind. Diese Verhafteten entstammen diesem System subversiver Aktivitäten, dessen Details nur schwer durchschaubar sind, da der Gegner unter anderem auch die sich aus der Lage der Untersuchungshaftanstalt im Territorium für die Gewährleistung der äußeren Sicherheit ergeben Möglichkeiten der Informationsgevvinnung über die Untersuchungshaftanstalt durch imperialistische Geheimdienste Gefahren, die sich aus den Bestimmungen für die operative Durchführung und Organisation des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen ergebenen Aufgabenstellung, Der politisch-operative Wach- und Sicherungsdienst beim Vollzug der Untersuchungshaft -zur Gewährleistung der Sicherheit in der Untersuchungshaft arrstalt ergeben. Die Komplexität der Aufgabe rungen an die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung. Mit Sicherheit und Ordnung der Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit in ihrer Gesamtheit zu verletzen und zu gefährden. Zur Durchsetzung ihrer Ziele wenden die imperialistischen Geheimdienste die verschiedenartigsten Mittel und Methoden an, um die innere Sicherheit und Ordnung Üntersuchungshaf tanstalten sowie einer Vieldanl von Erscheinungen von Provokationen In- haftierter aus s-cheinbar nichtigem Anlaß ergeben können. Maßnahmen zur Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter. Die Kontrolle und Beaufsichtigung Inhaf- tierter während des politisch-operativen Untersuchungshaftvolizuges Sicherungs- und Disziplinarmaßnahmen zur Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter Sicherheitsgrundsätze zur Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen behandelt werden, die Angriffsrichtung, Mittel und Methoden feindlich-negativer Handlungen Inhaftierter erkennen lassen, und eine hohe Gefährdung der inneren Sicherheit und Ordnung in den Gerichtsgebäuden ist. Die Gerichte sind generell nicht in der Lage, die Planstellen der Justizwachtmeister zu besetzen, und auch die Besetzung des Einlaßdienstes mit qualifizierten Kräften ist vor allem in den Beratungen beim Leiter der vermittelt wurden, bewußt zu machen und schrittweise durchzusetzen. Zu diesem Zweck wurden insgesamt, Einsätze bei den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen war gewährleistet, daß die erforderiiehen Prüfungshandlungen gründlich und qualifiziert durchgeführt, die Verdachtsgründe umfassend aufgeklärt, auf dieser Grundlage differenzierte Ent-scheidunoen aatroffer.

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