Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 148

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 148 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 148); verschiedensten Gebieten versucht, deutschen demokratischen Organen Regierungsaufgaben zu eigenverantwortlicher Regelung zu übertragen? -Ist andererseits die Strenge, die Intensität, die voraussichtliche Dauer und das betonte Endziel der Okkupation von der Art, daß ein Vergleich mit vorübergehender militärischer Besatzung und provisorischer administrativer Treuhänderschaft im Sinne der occupatio belUca möglich wäre und ausreicht? Die Wahrheit liegt doch wohl in der Mitte22) und es kommt darauf an, den ihr juristisch adäquaten Ausdruck zu finden. Zinn ist auf dem besten Wege dazu. Leider hat er ihn nicht bis zu präzisen Schlußfolgerungen, z. B. der ausdrücklichen Ablehnung einer Anwendbarkeit der Haager Landkriegsordnung, weiterverfolgt. Kein Argument für die Okkupationstheorie, vielleicht aber eine Erklärung für das bisherige Fehlen einer selbständigen mittleren Auffassung ergibt sich, wenn man in der erwähnten Entscheidung des Obergerichtes des Kantons Zürich liest: „Liegt keine Annexion vor, so kann der gegenwärtige Zustand nur derjenige der kriegerischen Okkupation sein, auch wenn objektiv bereits der Tatbestand der Debellation vorliegt."22) Indessen: tertium datur. Man mag dieses Tertium occupatio interveniens nennen, falls es auf einen Namen durchaus ankommt. Das Wesen dieser occupatio interveniens ist gekennzeichnet durch die Mittellage zwischen einer Land und Leute ihres organisatorischen Zusammenhanges und Mittelpunktes beraubenden Annexion und der politisch indifferenten, nur von militärischen Nahzielen beherrschten, vorübergehenden Okkupation. Positiv aus-gedrückt: die Annexion will für alle Zeiten eine eigenständige Regierungsgewalt beseitigen, die Okkupation sie alsbald wieder hersteilen und nur kurzfristig vertreten, die Intervention ihr für dauernd ein neues Gesicht geben. Die Intervention ist die Revolution von außen (nicht als politisches Mittel zum militärischen Zweck, sondern als eigentliches Ka,mpfziel); sie will Form und Inhalt des organisatorischen Gefüges im besiegten Land ändern, es aber gerade deshalb in seinem Bestand ebensowenig antasten, wie dies im Fall der gewöhnlichen militärischen Besetzung geschieht. Das Wesen des Interventionskrieges ist das Streben nach Debellation zwecks Verfassungsänderung. Natürlich hätten die Debellanten im Mai 1945 mit dem Recht des Eroberers, im Widerspruch dann freilich zu ihren feierlichen Proklamationen, Deutschland ganz annektieren können. Sie haben es nicht getan2-*). Die Debellanten hätten sich ebenso auf eine kurzfristige, innerpolitisch absichtslose Besetzung nach den Regeln der Haager Landkriegsordnung beschränken können. Sie haben das nie gewollt und auch nicht getan, sondern auch insofern zu ihrem Wort gestanden. Schon aus der Denkregel, daß wer das Größere darf, auch zum Kleineren befugt ist (in maiore minus), folgt, daß sie, die Alles hätten annektieren können, sich ebensogut als politische Intervenienten bgnehmen konnten, so wie sie es getan haben und tun. Nicht als condomini (als einstweilige Kolonialherren neuen Stils) 22), sondern als concuratores, als gemeinschaftliche Gebrechlichkeitspfleger sind die Funktionäre der Kontrollmächte nach Deutschland gekommen. Sie haben dem m deutschen Volk die Revolution gebracht, zu der es sich nach zwölfjähriger Usurpation seiner Souveränitätsrechte nicht aus eigener Kraft aufraffen konnte. Diese Rechte lagen auch zwischen 1933 und 1945 beim deutschen :‘) - Das empfindet offenbar auch Abendroth und hat deshalb staatsrechtliche Kontinuität mit völkerrechtlicher Diskontinuität verknüpft eine künstliche Kombination, der es vom Standpunkt der hier vertretenen Interventionstheorie aus nicht bedarf. Entsprechendes gilt gegenüber dem Gutachten der Leipziger Juristenfakultät vom September 1945 S. 4 ff. -*) DRZ 1947, S. 32. !l) Abendroths Hinweis auf Abschnitt VI Abs. 2 des Berichts vom 2. 8. 45 trifft den Kern der Sache deshalb nicht, weil er sich nur auf die Behandlung eines kleinen Teilgebietes bezieht. “) Abendroths Analogisierung des von ihm angenommenen Condominiums mit den früheren Völkerbundsmandaten (Art. 22 VBS) oder der jetzigen trusteeship (Art. 75 ff. der Charta der V. N.) zeigt m. E. die politische Unangemessenheit und damit die juristische Unrichtigkeit seiner Konstruktion. Mandats-wie Treuhändersystem dienen der Entwicklung „geschichtsloser“ Völker zu souveränen Nationen. Die Lage des de-bellierteri Deutschland ist eine völlig andere, da es sich lediglich die selbständige Ausübung seiner traditionellen Souveränitätsrechte wieder verdienen soll. Volk, das nur an ihrer Ausübung widerrechtlich gehindert war, dadurch im demokratischen Sinn gebrechlich wurde und nun der politischen Pflegschaft bedarf, ehe es an die Ausübung seiner ihm auch heute zustehenden Souveränitätsrechte wieder herangehen kann, wobei die Pflegschaftszwecke im Protokoll der Krim-Konferenz Punkt 2 Abs. V26), in der Präambel Abs. 5 Satz 2 der Erklärung vom 5. 6 . 452;) und in der Präambel zu Abschnitt III Abs. 4 des Berichts über die Berliner Konferenz klar festgelegt sind. Von einepri Untergang des deutschen Staates kann vom Standpunkt-dieser Auffassung aus nicht die Rede sein, selbst wenn man bei Souveränitätsverlust grundsätzlich Staatsuntergang annehmen wollte. Denn die deutsche Souveränitätssubstanz hat sich die ganze Zeit über nicht verändert. Es scheint allerdings recht fraglich, ob die These22) wirklich aufrechtzuerhalten ist, daß ein Staat bei Verlust der Souveränität oder der Staatsgewalt untergeht. Der Streit über das Verhältnis dieser beiden Begriffe zueinander kann unerörtert bleiben. Denn macht man Ernst mit den einmütigen Hinweisen der Völkerrechtstheorie2) und -praxis auf die Unschädlichkeit des Regimewechsels, ja nach herrschender Meinung2) sogar der völligen Neuordnung des Gesellschaftsaufbaus für die Staatsidentität, so ergibt sich, daß in Wahrheit nicht Veränderungen in der Souveränität öder der Staatsgewalt, nämlich überhaupt nicht Verfassungsänderungen, den Untergang eines Staates bewirken, sondern allein der Schwund der greifbaren materiellen Substrate staatlichen Daseins: des Kerngebiets, des Stammes der Menschen und des organisatorischen Zusammenhangs unter ihnen. Solange (im Sinne Es meins) die collectivity organisee objektiv erhalten ist und ihre Beseitigung nicht etwa ersichtlich dem revolutionären Geschäftswillen entspricht, ist der Staat über alle Veränderungen hinaus identisch und kontinuierlich bei Bestand, mag er auch auf Zeit die Handlungsfähigkeit eingebüßt und nur die Rechtsfähigkeit zurückbehalten haben, also wie gegenwärtig Deutschland - unter völkerrechtlichem Kuratel stehen. Trifft es zu, wie wir sagten, daß Intervention soviel bedeutet wie Revolution von außen, so muß der im Völkerrecht bei internen Revolutionen bereits anerkannte Satz gelten: daß der Wille der Revolutionäre darüber entscheidet, ob lediglich eine innerstaatlich erhebliche Organisationsänderung oder eine völlige, die völkerrechtliche Kontinuität unterbrechende Organisationsauflösung vorliegt. Das Studium der Protokolle von Jalta und Potsdam zeigt, daß der Wille der alliierten Intervenienten (der von außen kommenden Revolutionäre) auf Herstellung einheitlicher demokratischer Organisationsformen in Deutschland, nicht aber auf Zerstörung des organisatorischen Gefüges Deutschland gerichtet ist. Folgt man der hier vertretenen Interventionstheorie2*), so ist das „Reich“ zwar unter die gemeinsame (gesamthänderische) Pflegschaft der Kontrollmächte gestellt, aber als Einheit in dem bis zur Friedensregelung vorläufig abgegrenzten Gebiet22) erhalten, mit ihm seine zentripetale Rechtsordnung, mit ihr der Satz: Reichsrecht bricht Landrecht. * **) “) Amtsblatt des Konirollrats, Beiheft Nr. 1, S. 4. 27) Amtsblatt des Kontrollrats, Beiheft Nr. 1, S. 7. !!) „The existence of an independent government is an essential element of a state in the eyes of international law.“ (Kelsen, SJZ 1947 Sp. 5.) **) Das Völkerrecht, sagt z. B. Anzilotti (Lehrbuch des Völkerrechts Bd. I S. 3 Nr. 2), „bezieht sich nicht auf eine auf einem bestimmten Gebiet lebende Bevölkerung, sondern auf einen organisierten Gesamtverband, d. h. eine rechtliche Ordnung, die imstande ist, den in den Völkerrechtsnormen zum Ausdruck gebrachten Willen greifbar zu verwirklichen. Wenn diese Ordnung aufhört, erlischt auch das Völkerrechtssubjekt. Was diesen Fall von dem des Regimewechsels unterscheidet, ist, daß hier die Rechtsordnung, wenn auch in sehr veränderter Form, andauert, bei jenem dagegen nicht.“ “) Verdroß, Völkerrecht S. 234. !l) Hierhin zu nehmen ist auch die Meinung Lauers (.,Abendpost“, Hannover, vom 12. 5. 47), der allerdings das Prinzip der Intervention nur im praktischen Ergebnis formuliert. „Die Mächte haben zwar", sagt er, „die Geltung der Haager Landkriegsordnung oder des ihr entsprechenden allgemeinen Gewohnheitsrechtes durch ein Sonderrecht ersetzt, das sich ausschließlich auf das Recht des Siegers stützt. Aber damit ist noch nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie das Rechtssubjekt Deutsches Reich vernichten und für Deutschand den allerletzten Rest von Völkerrecht auslöschen wollten.“ 3!) Maßgebend: die Grenzen vom 31. 12.1937 (Berl. Dekl. vom 5. 6. 45 - Amtsblatt des Kontrollrats, Erg.Bl, Nr. 1 S. 10). 148;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 148 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 148) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 148 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 148)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane hat sich auch kontinuierlich entwickelet. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver-fahren auf der Grundlage von Untersuchungsergebnissen, Anzeigen und Mitteilungen sowie Einzelinformationen. Im folgenden geht es um die Darstellung strafprozessualer Verdachtshinweisprüf ungen auf der Grundlage eigener Feststellungen der Untersuchungsorgane auf der Grundlage von Befehlen und Weisungen. Er übt die Disziplinarbefugnis auf der Basis der Disziplinarvor-schrift Staatssicherheit als Referatsleiter aus. Im Rahmen der politisch-operativen Aufgabenerfüllung beim Vollzug der Untersuchungshaft zu überprüfen, wie - Inhaftiertenregistrierung und Vollzähligkeit der Haftunterlagen, Einhaltung der Differenzierungsgrundsätze, Wahrung der Rechte der Inhaftierten, Durchsetzung der Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten - interne Weisung Staatssicherheit - Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit erfolgt nach den gleichen Grundsätzen und auf den gleichen rechtlichen Grundlagen wie der Untersuchungshaftvollzug in der außerhalb Staatssicherheit . Die aufgeführten Besonderheiten im Regime des Vollzuges der Untersuchungshaft der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren dient. Rechte und Pflichten des Verhafteten sind einheitlich darauf ausgerichtet, die günstigsten Bedingungen für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die Art und Weise der Tatbegehung, ihre Ursachen und Bedingungen, der entstandene Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren ist die reale Einschätzung des Leiters über Aufgaben, Ziele und Probleme, die mit dem jeweiligen Ermittlungsverfahren in Verbindung stehen. Dabei handelt es sich um jene Normen, die zur Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen für die rechtlich offensive Gestaltung der Beschuldigtenvernehmung von besonderer Bedeutung sind.

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