Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1952, Seite 258

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Seite 258 (NJ DDR 1952, S. 258); Volksgerichten die Aufgabe zu übertragen, die Gesetzmäßigkeit der Handlungen der Erfassungs- und Finanzorgane auf dem Gebiet der Beitreibung von Steuer- und Lieferungsrückständen und auch der Verwaltungsorgane auf dem Gebiet der Beitreibung von Strafen zu überprüfen.16) Das Ergebnis dieser Betrachtung ist also: a) Die gesetzliche Grundlage für die Entscheidung über die Zulässigkeit des ordentlichen Zivilrechtsweges ist § 13 GVG. b) Nach § 13 GVG ist der ordentliche Zivilrechtsweg zulässig für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten, sofern nicht besondere rechtliche Regelungen bestimmte derartige Streitigkeiten anderen staatlichen Organen zur Entscheidung überweisen. Der ordentliche Zivilrechtsweg ist ferner zulässig für nicht zivilrechtliche Streitigkeiten, sofern dies in bestimmten Fällen durch geltende Rechtsnormen ausdrücklich bestimmt ist. Oder anders ausgedrückt: § 13 GVG erklärt ganz eindeutig, daß der ordentliche Zivilrechtsweg für nicht zivilrechtliche Streitigkeiten nur zulässig ist, wenn dies eine geltende Rechtsnorm ausdrücklich bestimmt. Es ist also hinsichtlich dieses Ergebnisses den Ausführungen von Loewenthal17) zuzustimmen. Nicht gebilligt werden aber kann seine Begründung für diese Ansicht. Er meint, daß bei anderer Auffassung den Bürgern kein genügender Rechtsschutz gewährt sei. Diese Argumentation ist in der antifaschistisch-demokratischen Ordnung schon deshalb abwegig, weil der demokratische Charakter eines Staates, in dem zu den Grundprinzipien der staatlichen Verwaltung Kritik und Selbstkritik gehören, ja in dem diese das Entwicklungsgesetz der Gesellschaft überhaupt sind, eine isolierte Betrachtung des durch die Gerichte gewährten juristischen Schutzes der Bürger nicht zuläßt. Denn neben allen juristischen Institutionen, die diesem Schutz dienen, steht die Vielfalt der entsprechenden gesellschaftlichen Einrichtungen. Loewenthal übersieht hier ganz offenbar, daß in der antifaschistischdemokratischen Ordnung der Dualismus zwischen Werktätigen und Staat aufgehoben ist und der höchste „Rechtsschutz“ des Bürgers darin besteht, daß der Staat sein Staat ist. Abgesehen hiervon darf nicht übersehen werden, daß auch der Schutz in die Betrachtung einzubeziehen ist, den Institutionen wie der staatliche Kontrollapparat, Volkskontrollausschüsse, öffentliche Berichterstattungen von Staatsfunktionären, öffentliche Sprechstunden, Beschwerdemöglichkeiten, Pressekritik, Wandzeitungen, die Arbeit der Ausschüsse der Nationalen Front, die Rolle der Parteien und Massenorganisationen usw. usw. gewähren. Mit der hier vertretenen Auffassung scheint auch Nathan in seinem Diskussionsbeitrag auf der Arbeitstagung des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik mit den Oberlandesgerichtspräsidenten und Richtern der Oberlandesgerichte vom 23. und 24. November 1951 übereinzustimmen.18 19) 4. Die letzte in diesem Zusammenhang zu beantwortende Frage ist die nach der Bedeutung der nach 1945 erlassenen landesrechtlichen Vorschriften, die den Rechtsweg für Ansprüche aus Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ausschlossen.111). Trotz gewisser Abweichungen in der Formulierung dieser Regelungen ging ihr Inhalt eindeutig dahin, den Zivilrechtsweg für die Geltendmachung von Ansprüchen auszuschließen, die sich auf Maßnahmen der „öffentlichen Gewalt ‘ gründeten. Alle diese Regelungen wollten lediglich die Frage des Rechtswegs regeln, nicht aber die materiellrechtliche Frage des Bestehens oder Nichtbestehens des jeweiligen Anspruchs entscheiden. Sie setzten die materiell-rechtliche Grundlage für einen Anspruch voraus. Es hat erhebliche Diskussionen um den vom jeweiligen Gesetzgeber beabsichtigten Zweck dieser Regelung gegeben20), die m. E. den eingangs dargelegten 10) vgl. Liskowetz und Sominski, „Die Tätigkeit des Volksgerichts in der Sowjetunion“, Berlin 1952, S. 39 f. 11) NJ 1952 S. 70. 18) vgl. Protokoll S. 192. 19) vgl. Anm. 3. 20) vgl. Protokoll der Arbeitstagung, S. 178 und 181. Gesiditspunkt vernachlässigen, daß die antifaschistischdemokratische Gesetzlichkeit eine einheitliche ist, für deren Anwendung nicht die Motive eines Branden-burgischen oder Thüringischen Gesetzgebers von 1946 oder 1948 ein primäres Kriterium sein können. Der Zweck und Inhalt dieser landesrechtlichen Regelungen ist vielmehr in erster Linie aus ihrer Funktion, ihrer aktiven Rolle beim Aufbau unserer antifaschistischdemokratischen Ordnung abzuleiten. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Oberste Gericht der Deutschen Demokratischen Republik in seinem Kassationsurteil vom 19. Dezember 1951 m. E. zutreffend das Entscheidende hervorgehoben, wenn es zu der Sächsischen Verordnung vom 14. März 1946 ausführt: „Die Verordnung hatte ebenso wie die in den anderen Ländern der damaligen sowjetischen Besatzungszone mit Ausnahme von Mecklenburg erlassenen entsprechenden Verordnungen den Sinn, und den Zweck, die Zuständigkeit der Gerichte und Verwaltungsstellen in solchen Fällen voneinander abzugrenzen, in denen Personen, die in irgendeiner Weise von einer Maßnahme der öffentlichen Gewalt betroffen worden waren, Ansprüche geltend machten, die unmittelbar oder mittelbar die Aufhebung und Rückgängigmachung solcher Maßnahmen erstrebten oder Ersatz von Vermögensnachteilen verlangten, die durch solche Maßnahmen angeblich oder wirklich entstanden waren. Solche Ansprüche, zumal aus den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch, wurden und werden auch heute noch nicht selten vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht unter Außerachtlassung der Tatsache, daß zur Beseitigung des nach dem totalen Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auf fast allen Gebieten, vor allem auf denen der Wirtschaft und des Verkehrs, bestehenden allgemeinen Notstandes und zum beschleunigten Aufbau unserer antifaschistisch-demokratischen Ordnung ein schnelles und entschlossenes Handeln der überwiegend mit neuen Kräften besetzten Verwaltungsstellen dringend notwendig war, um die breiten Massen, vor allem der werktätigen Bevölkerung, vor weiteren Schäden zu bewahren und die Wege für den Aufbau der neuen Ordnung unseres gesellschaftlichen Lebens zu eröffnen. Bei solchen Maßnahmen konnte, ja durfte in vielen Fällen nicht auf die .Rechtszustände' Rücksicht genommen werden, wie sie bei dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bestanden. Es war auch unvermeidlich, daß bei der Anordnung oder Durchführung solcher Maßnahmen in dem einen oder anderen Falle die Person, das Eigentum, das Vermögen oder sonstige Interessen des einzelnen in Mitleidenschaft gezogen wurden.“-1) Die genannten Regelungen wollten offenbar vor allem verhüten, daß angesichts des unbedingten Vorrangs der großen Aufbauaufgaben vor allen individuellen Belangen, angesichts des erst in der Entwicklung begriffenen antifaschistisch-demokratischen Rechtsbewußtseins auch innerhalb der Justiz , angesichts eventueller Unklarheiten sowohl über den neuen Inhalt des § 13 GVG wie auch insbesondere über die Frage der Existenz einer materiellrechtlichen Grundlage für einen allgemeinen Amtspflichtverletzungsanspruch gegen staatliche Organe, durch Prozesse solcher Art die Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung gehemmt würde. Darin lag der Sinn und die Zweckmäßigkeit dieser Gesetze bzw. Verordnungen. Das schließt allerdings nicht aus, daß wir heute vom Standpunkt unseres entwickelteren antifaschistischdemokratischen Rechtsbewußtseins feststellen können, daß diese Regelungen, wie Z i e g 1 er22) auf der erwähnten Arbeitstagung des Obersten Gerichts m. E. im wesentlichen mit Recht festgestellt hat, für den weitaus größten Teil aller in Betracht kommenden Fälle nicht erforderlich gewesen wären. Aber diese Feststellung setzt eine richtige Anwendung des § 13 GVG und die Einsicht voraus, daß weder der Art. 131 der Weimarer Verfassung noch sein Rechtsgedanke in der antifaschistisch-demokratischen Ordnung schlechthin weiter gelten, daß vielmehr eine gesetzliche Neuregelung erforderlich ist, um eine allgemeine Amtshaftung staatlicher Organe materiellrechtlich zu begründen. Die erwähnten landesrechtlichen Vorschriften hatten also vom Standpunkt dieser Erkenntnisse aus praktische Bedeutung nur in den Fällen, in denen weitergeltende, vom Grundsatz des § 13 GVG abweichende ausdrückliche Rechtssätze den Zivilrechtsweg für materiellrechtlich gegebene Ansprüche gegen staatliche Organe aus Maßnahmen der sog. öffentlichen Ge- 2!) NJ 1952 S. 179/180. 22) vgl. Protokoll S. 173. 258;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 6. Jahrgang 1952, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1952. Die Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1952 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 15 vom 24. Dezember 1952 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 6. Jahrgang 1952 (NJ DDR 1952, Nr. 1-15 v. Jan.-Dez. 1952, S. 1-624).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der vorhandenen Beweislage, besonders der Ergebnisse der anderen in der gleichen Sache durchgeführten Prüfungshandlungen sowie vorliegender politisch-operativer Arbeitsergebnisse entschieden werden muß. ion zum Befehl des Ministers die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit von Angehörigen Staatssicherheit , der Anklagevertretung, des Gerichts, der Zeugen und anderer Personen sicherzustellen und die Durchführung von Amtshandlungen in den Gerichtsverhandlungen zu ermöglichen.

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